Nach dem gut besuchten Auftakt des Biografie Projektes „Ehemalige Heimkinder aus der Villa Haar erzählen“ im Sommer mit Zeitzeugen aus den Jahren zwischen 1946 und Anfang der 60er Jahre, trafen sich nun am 01.11.2025 ehemalige Heimkinder aus den späten 60er und den 70er Jahren in der Villa Haar zum gegenseitigen Austausch.
Insgesamt 14 Ehemalige waren es, die an diesem Samstagnachmittag zusammenkamen und ihre Erinnerungen, Erfahrungen, Erlebnisse aus ihrer Zeit im „Kinderheim Rosa Thälmann“ – denn so hieß das Heim zu dieser Zeit offiziell – miteinander zu teilen. Und auch zwei ehemalige Erzieherinnen aus dieser Zeit, in den frühen 70ern ganz jung und eben frisch ausgebildet, waren als Zuhörer an diesem Tag dabei.
Die Jahre nach 1945 und die Aufbaujahre der 50er waren in der Villa noch davon geprägt, ein Waisenheim der Nachkriegszeit zu sein, geleitet zunächst von Elisabeth Noack, später von Charlotte Mewes und Ruth Werth. Es waren dies Frauen, die sich mit ganzem Herzen den Kindern widmeten und ihr Leben in den Dienst der Sache stellten – lebten sie sogar mit den Kindern unter dem Dach der Villa. Charlotte Mewes bis 1969.
Die Älteren im „Erzählsalon 2“ am 01.11. erinnerten sich des Übergangs der Heimleitung von „Tante Lotte“, wie sie liebevoll aber mit Respekt genannt wurde, zu Helmut Glorius, der mit der altersbedingten Verabschiedung von Charlotte Mewes als Heimleiter des „Kinderheims Rosa Thälmann“ eingesetzt wurde.
Mit ihm, aber nicht alleine nur durch ihn, kehrte ein anderer Stil im Haus ein. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die Ideale einer sozialistischen und patriotischen Kindererziehung und nicht zuletzt die Einflüsse der staatlichen Fürsorge-Organe prägten mehr und mehr den Alltag im Rosa-Thälmann-Heim. Ehemalige Lehrer, im Schuldienst nicht mehr einsetzbar und auch Ex-Soldaten der Nationalen Volksarmee, arbeiteten in der Betreuung der Kinder. Dass damit der Umgangston rauer, die liebevolle Ansprache der Kinder weniger wurde, dies erinnerten die Ehemaligen an diesem Nachmittag.
Natürlich auch die Gründe und Ursachen für das Großwerden im Kinderheim statt in der Herkunftsfamilie, waren andere als in der ersten Generation. Neben Überforderungssituationen z.B. durch Erkrankung der Eltern oder als Alleinerziehende waren in den Schilderungen der Ehemaligen nun auch die Themen Vernachlässigung oder sogar Gewalterfahrungen im Elternhaus zu hören. Und auch die Herausnahme von Kindern aus sog. politisch unzuverlässigen Familien z.B. weil Ausreiseanträge aus der DDR gestellt wurden, führten zur Unterbringung im Heim.
Insgesamt wechselten sich an diesem 01.11. in der Villa Haar viele traurige, schmerzhafte und schwere Erinnerungen ab mit der Dankbarkeit für die hellen Seiten einer Kindheit und Jugend in der Villa. Neben den autoritären und strafenden Erziehern gab es auch die Fürsorge der Erzieherinnen, das Gemeinschaftsgefühl, kulturelle Angebote, eine gute Versorgung und die Vorbereitung auf das spätere Berufsleben.“
Moderiert wurde der Salon wiederum von Katrin Rohnstock, die dieses Format vor mehr als 25 Jahren entwickelt hat. „Uns geht es beim Erzählen um Authentizität – kritische und schmerzhafte Erinnerungen gehören ebenso dazu wie glückliche, geprägt von Fürsorge und Geborgenheit. Erst in ihrer Vielfalt wird Geschichte lebendig“,
Wie auch beim ersten Erzählsalon im Sommer sind alle Schilderungen der Ehemaligen aufgezeichnet worden und werden nun schriftlich niedergelegt. Für die Epoche der 80er Jahre bis zur Nachwendezeit und der Schließung der Kinderheimstätte in der Villa im Jahr 1995 werden im Frühjahr 2026 noch zwei weitere Erzählsalons durchgeführt. Zum einen mit den Heimkindern dieser Zeit – aber auch ein Erzählsalon mit ehemaligen Erziehern und Mitarbeitern des Heimes wird es geben, die ihre Erinnerungen und Erfahrungen beisteuern sollen.
Bis 2027 wird – anlässlich des 80-jährigen Bestehens der Stiftung – ein Buch entstehen, das die Erfahrungen der früheren Bewohnerinnen und Bewohner zusammenführt und ein lebendiges Bild vom Wandel des Heimlebens über fünf Jahrzehnte hinweg zeichnet.
Weiterhin sind wir interessiert an Kontakten zu ehemaligen Bewohnern, aber auch Erziehern, die wir bisher noch nicht erreicht haben.
Kontakt und Anmeldung:
E-Mail: weimar@stiftunghaar.de